14.10.2008: Berlin, Autonama – FC Bundestag 0:3 (0:1) (2×30 Min.)

Spielbericht:

Klaus Cassandra Zehrer hatte uns noch gewarnt: “Jungs, das wird eine schwere Aufgabe. Die haben sowohl das thüringische Landwirtschaftministerium als auch das Hammer-Forum mit 7:1 weggeputzt.” Was auch immer das Hammer-Forum sein mag – 7:1 haben wir noch nie gewonnen. Das sollte uns eigentlich einschüchtern. Oder zumindest zu denken geben.

“Wenn wir dieses Spiel nicht gewinnen, dann weiß ich auch nicht mehr”, sagte der Coach, und wir wussten, was er meint. Die Herren Politiker kamen per Bus angereist, betagter und beleibter als wir. Eine überwiegend konservative Mehrheit mit einem prominenten Linksaußen, der auf den Namen Franz-Josef Jung hört. Im Tor ein Parteiloser, im Vergleich zu den Feldspielern ein eher jüngeres Semester. So jung und so frisch wie wir – dachten wir. Aber wir waren nicht frisch und sahen am Ende ziemlich alt aus. Was war geschehen?

Der Rasen des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportplatzes war nass und glänzte im Scheinwerferlicht, die Jogger auf der Aschenbahn ignorierten uns und zogen ungestört ihre Runden. Die ersten Spielminuten liefen recht gut für uns, der Ball, durch die Nässe schneller denn je, erreichte unsere Hälfte nur selten. Und dann, in der fünften Minute, der Schock: erste Ecke für die Gegner, Kopfball, Tor. Keine Ahnung, welches Parteimitglied da geköpft hat, der parteilose Torwart kann’s nicht gewesen sein. Kanzler Merkel war machtlos. Danach wäre noch vieles gegangen, stattdessen ging nichts mehr. Unsere Vorstöße in den gegnerischen Strafraum waren halbherzig, zu eigensinnig, zu kraftlos, kein Schuss, kein Treffer. Der Parteilose drüben war so gut wie arbeitslos.

Nach 30 Minuten Altherrenfußball gab’s in der Pause eine kräftige Standpauke vom Coach. Wieder wussten wir, was er meint. Keine Schüsse, keine Treffer. Das muss sich ändern.  Vielleicht mit einer neuen Aufstellung? Wagner ging für Luthardt in die Spitze, Schmidt rückte auf die Zehner-Position und Roloff auf die Sechs. Bei den Gegnern fehlte Franz-Josef, er hatte sich sang- und klanglos davongeschlichen, man kann es ihm nicht verübeln.

32. Spielminute, wieder Ecke, Kopfball, Tor. Bundestagsabgeordneter Nr. 11 war’s. Was war los in der Abwehr? Merkel fluchte, und kaum hatte er sich beruhigt, durfte er den Ball schon wieder aus dem Netz fischen. 34. Spielminute, Nr. 9 umspielt Kuper mühelos und schiebt den Ball in die kurze Ecke: 0:3. Kaum zu glauben.

Die Politiker waren bereits in Feierlaune. “Was heißt Orgasmus auf Sächsisch?” fragte einer der Herren die beiden Damen, die gekommen waren, um uns siegen zu sehen. Ob es im Bundestag auch so zugeht? Und: wer weiß die Antwort auf diese Frage? Kanzler Merkel vielleicht?

Ganz chancenlos waren wir nicht, doch nichts ging mehr. Zwei Freistöße aus etwa 20 m Entfernung gingen weit über die gegnerische Latte, und nicht einmal der Rinkesche Elfmeter in der letzten Spielminute (nachdem er selbst gefoult wurde) wollte im Netz landen.

Cassandra Zehrer hat recht gehabt. Eine schwere Aufgabe. Wir sind der Hybris verfallen und tragisch gescheitert. Ein Trauerspiel. Jetzt kommt die Trauerarbeit. Und morgen sieht das Leben schon wieder viel freundlicher aus. “Ganz schnell vergessen”, meinte Rinke in der Kabine.

Matthias Luthardt

Aufstellungen:

Autonama:

Andreas Merkel – Florian Werner, Uli Hannemann, Simon Roloff, Andre Bergelt – Norbert Kron, Jochen Schmidt, Klaus Cäsar Zehrer, Jan Costin Wagner – Matthias Luthardt, Moritz Rinke

eingewechselt: Falko Hennig für Bergelt, Ulli Kuper für Zehrer, Chris Deutschländer für Luthardt

FC Bundestag:

Barth, Uwe (FDP); Barthle, Norbert (CDU); Fischer, Dirk (CDU); Gienger, Eberhard (CDU); Haustein, Hans-Peter (FDP); Hüppe, Hubert (CDU); Jung, Franz-Josef (CDU); Karl, Alois (CSU); Kranz, Ernst (SPD); Manzewski, Dirk (SPD); Riegert, Klaus (CDU); Ruck, Christian (CSU); Schäfer, Paul (Linke); Weinberg, Marcus (CDU);  Schönfeld, Michael; Grunewald, Hendrik

Tore:

0:1 Manzewski (5.), 0:2 Manzewski (32.), 0:3 Riegert (34.)

Termine



Alle Infos zu "Fußball ist unser Lieben", hrsg. von Albert Ostermaier, Norbert Kron und Klaus Caesar Zehrer, Suhrkamp 2011, hier!


Alle Infos zu Titelkampf, hrsg. von Albert Ostermaier, Moritz Rinke und Ralf Bönt, Suhrkamp 2008, gibt es hier!

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