8.9.2007: Berlin, Kleine Hamburger Straße, Autonama – England 4:4 (2:2)

Spielbericht:

Auch wenn Schotten, Iren, Amerikaner, Deutsche und Ungarn das britische Team auffüllen – im Kern sind sie auf doppelte Wembley-Revanche gebürstet, das 1:2 der DFB-Noname-Elf liegt erst vierzehn Tage zurück. Und wir? Wollen ja nun auch auf heimischem Terrain mal einen der Großen schlagen. Am Ende löste sich keines der Vorhaben ein, als wäre es so abgesprochen gewesen, mit dem Galaergebnis 4:4 (2:2) trennten sich die AutoNaMa und die Gäste von der Insel nach hochemotionalen 90 Minuten im Berolina-Park.

Die AutoNama hat den Ball noch gar nicht berührt, da springt er nach Passspiel der eher feineren englischen Art schon vom Innenpfosten ins Feld zurück. Kurz darauf fallen Hennig und Kron bei einer gegnerischen Flanke übereinander her, die Engländer sind zu perplex, um einzuschieben. Durchatmen, ordnen, Ruhe reinbringen, wünscht sich der Beobachter am Rande noch, da läuft schon die 9. Minute. Ja, sicher, die Engländer haben das Wembley-Tor und niemand will es ihnen nehmen, aber hier laufen jetzt Bilder ab, die sich für immer in die Geschichte der AutoNaMa einbrennen. Es ist der Kurzfilm „Alles, was Fußball ausmacht“ mit dem Untertitel „Warum nicht viel öfter so“. Schieke schiebt lässig in die Mitte durch zu Döring, der zu Kron in die halbrechte Gasse, Kron sieht Rinke starten, der direkt!!! auf Ostermaier – und der schlenzt den Ball mit dem rechten Außenrist mühelos in den rechten Winkel. Man muss es so klar sagen, ein Tor des Jahres. Deutschland führt 1:0.

Und wir bestimmen weiter das Geschehen. Hutsch wirkt sicher, Hennig passgenau, Döring und Eilenberger treiben an, keiner lässt sich auf unnötige Dribblings ein. Alles höggst dischzipliniert. In der 27. Minute die Großchance für Rinke, nach feinem Pass von Eilenberger zu erhöhen. Er umkurvt den Goalkeeper, versucht den Ball dann aber nicht ins Tor zu schießen, sondern zu „luschen“. Die Abwehr fällt Rinke wieder vor die Füße, er spielt uneigennützig quer, halbhoch, Ostermeier ist mit dem Kopf da, doch der kompromisslose Patrick Neate rettet im Fünfmeterraum per Seitfallzieher.

35. Minute. Willmann deutet an der Außenlinie darauf hin, dass sein Muskelfaserriss in der Wade nicht wirklich verheilt war. Nur Kron könnte jetzt in der Viererkette helfen, doch der ist bereits Luthardt gewichen und hat zudem sein Trikot in der Kabine gelassen, weil Aushilfscoach Böttcher ihn erst in der zweiten Hälfte wieder bringen will. Hektik bricht aus. Luthardt sagt noch, er habe nie in der Deckung gespielt, aber es hilft nichts, bis zur Pause muss er das Loch stopfen. Die Briten verstehen nicht jedes Wort an der Außenlinie, aber sie sehen sehr wohl die Schwachstelle. Innerhalb von vier Minuten ist die Partie mit zwei Wurschteltoren gedreht, denen planlose Bälle ins Zentrum der deutschen Abwehr vorausgehen. Zuerst trifft Jan Schiele zum Ausgleich (37.), dann Philipp Oltermann aus abseitsverdächtiger Position zum 1:2 (40.). Herrndorf wird ins Abwehrzentrum beordert, Luthardt ins Mittelfeld, wo er sich ja sowieso schon befindet. Schieke schickt derweil mit 50-Meter-Pass Rinke auf die Reise, und der zeigt im Eins-gegen-Eins vor dem Keeper jetzt seine alte Torjägerqualität, locker in die rechte Ecke, 2:2.

Zur Pause Umstellungen. Kron muss hinten rein, was er schon in den ersten fünf Minuten nach der Pause mit einer Anzahl von gekonnten Rebounds rechtfertigt. Zuerst aber stellt Eilenberger mal klar, wer jetzt mit dem Wind spielt, der über den Berolina-Park weht. Vom Anstoßpunkt setzt er einen Schuss über das englische Tor. Kurz darauf setzt er sich links durch, passt flach und scharf vors Gehäuse, Herrndorf hat nicht mehr als die Fußspitze dran (48.). Die Briten sind beeindruckt, kommen aber trotzdem auf. Hennig muss mit Wadenzwicken raus, auch Hannemann erwischt es später noch. Sind die Insulaner läuferisch ein kleines bisschen stärker, klaffen da doch hin und wieder Löcher im deutschen Mittelfeld, in die sie immer genüsslicher stoßen? Auch Lewitin ist ja dabei, und nach einer abgefangenen deutschen Ecke bricht er über links sauschnell durch. Brandt ist machtlos, Schieke und Kron kriegen die Flanke nicht weg, 2:3 durch den Schotten David Goldie (62.).

Chancen gibt es hier wie dort. Lewitins Linksschuss tuschiert die Latte (69.), dann hat Bönt den Ball nach einem Flankenwechsel, spielt quer auf Döring, der den englischen Goalie prüft (72.). Auf der anderen Seite wirkt die Innenverteidigung noch einmal unentschlossen, Saul Frampton nimmt den Querschläger volley und trifft aus sechzehn Metern, unhaltbar für Hutsch. Dem englischen Jubel ist es anzusehen. Das ist der Todesstoß, 2:4, und schon 77 Minuten gespielt.

Ein harmloser Rempler von Kron gegen Zilahy gibt Freistoß, und Hutsch hat die Kapitänsbinde am Oberarm entdeckt und wittert eine Chance, sein Team noch einmal aufzuwecken. Er schnappt sich Schiri Jörn Becker und wirft ihm vor, noch nüchtern zu sein. Auf der deutschen Bank hat Ostermaier schon die Handschuhe an, doch Hutsch sieht zur eigenen Verwunderung nur gelb. Zudem hält er den Freistoß mit Bravour.

Ostermaier, der zuvor Bönt im Sturm gewichen ist, kommt für Luthardt und setzt sofort Akzente für die Schlussoffensive. Bei Eilenbergers scharfem Freistoß macht Herrndorf den alten Spreizsprung aus dem Turnunterricht. So berührt niemand weiteres den Ball, bis er im Tor liegt – 3:4 (84.). Die Hauptgerade des Stadions hat sich jetzt gefüllt, und mit dem Gebrüll von sechzig Zuschauern wird der leidenschaftliche Kampf belohnt. Döring mit Traumpass auf Bönt, der den herauslaufenden Keeper der Briten mit einer Coolness überloppt, die sich für die 88.Minute eines so prestigeträchtigen Länderspiels bei 3:4 eigentlich nicht gehört. Alle sehen dem Ball hinterher, denn einmal muss er noch auftippen, und dann isser drin. 4:4.

Coaching und Bericht: Jan Böttcher

Aufstellung:

Hutsch – Hannemann, Willmann (ab 36. Kron), Schieke, Hennig (ab 55. Brandt) – Brandt (ab 45. Herrndorf), Döring, Eilenberger, Kron (ab 28. Luthardt, ab 77. Ostermaier), Rinke, Ostermaier (ab 65. Bönt).

Tore:

1:0 Ostermaier, 1:1 Schiele, 1:2 Oltermann, 2:2 Rinke, 2:3 Goldie, 2:4 Frampton, 3:4 Eilenberger, 4:4 Bönt

Termine



Alle Infos zu "Fußball ist unser Lieben", hrsg. von Albert Ostermaier, Norbert Kron und Klaus Caesar Zehrer, Suhrkamp 2011, hier!


Alle Infos zu Titelkampf, hrsg. von Albert Ostermaier, Moritz Rinke und Ralf Bönt, Suhrkamp 2008, gibt es hier!

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